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Prof. Dr. W. Wedding
Gr. Lichterfelde-Ost.
Wilhelmstraße 2.

 

 

SONDERABDRUCK

AUS

SCHILLING'S

JOURNAL FüR GASBELEUCHTUNG

UND

WASSERVERSORGUNG

HERAUSGEGEBEN VON

DR. H. BUNTE.

_____

Gefunden und aufbereitet für's Internet von

ERIK LEGER

WWW.COLAG.DE

_____

 

 

© Erik Leger, 2006

 

 

 

Sonderabdruck

aus dem "Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung" 1901.

Herausgegeben von Dr. H. Bunte, Karlsruhe.


Untersuchung einer Aërogengas - Anlage

der van Vrieslands Aërogengas - Gesellschaft.

Von Prof. Dr. W. Wedding, Groß - Lichterfelde

Die Bestrebungen, den Dampf von leicht verdunstenden Kohlenwaßerstoffen mit Luft gemischt zu einem brennbaren Gase, sog. Luftgas, für Beleuchtungszwecke zu benutzen, sind schon lange bekannt, und wiederholt ist darüber in ds. Journ. berichtet worden. Die praktischen Anwendungen haben sich aber bisher nur ganz vereinzelt gezeigt; die Erzeugung des Luftgases war unvollkommen und ungleichförmig, und von einer größeren praktischen Einführung ist bis jetzt nicht die Rede gewesen.
Die neueren Bestrebungen, gerade auf diesem Gebiete, haben ihren Grund in der großartigen Entwickelung der Beleuchtungstechnik und dem dadurch entbrannten Wettbewerb auf den verschiedensten Gebieten der Lichterzeugung. Vor allem scheint das Luftgas als Konkurrent gegen das Acetylen auftreten zu wollen, indem auch die neue Beleuchtungsart sich berufen fühlt, die Beleuchtung einzelner Häuser, Gehöfte, kleinerer Ortschaften u. s. f. durch einzelne Lichtcentralen zu übernehmen. Wenn es bei diesen Bestrebungen gelingen sollte, eine ungefährliche Gas- und Lichterzeugung auszubilden, ferner eine Lichtquelle zu schaffen, die billiger als Petroleum ist, und wenn es schließlich erreicht würde, daß zur Gaserzeugung ein inländischer Stoff Verwendung finden könnte, so würde damit noch ein ganz besonderer Vorzug in der neuen Beleuchtung zu erblicken sein.
Die Aërogengas - Erzeugung und -Beleuchtung ist schon wiederholt in ds. Journ. erwähnt worden. So finden wir im Jahrgang 1900, Nr. 14, S. 253 u. ff., eine Beschreibung nebst Abbildungen des Apparates zur Gaserzeugung. In Nr. 52, S. 989 deßelben Jahrganges, finden sich die Angaben der Firma über die Leistungsfähigkeit des van Vriesland - Apparates. In Nr. 13 auf S. 237 im diesjährigen Jahrgang erfahren wir, daß bereits das Städtchen Ründeroth im Regierungsbezirk Köln mit einer Aërogengas - Anstalt ausgerüstet ist, und in Nr. 15 auf S. 274 sind in einem Referat aus einem Aufsatz über »die Heizanlagen der Deutschen Bauaußtellung zu Dresden1901« von Ingenieur Nicolaus die Ergebniße über den Einfluß von tiefen Temperaturen und über die Kosten angegeben.

Die nachstehenden Resultate rühren von einer Untersuchung her, die an einem kleinen Apparat während einer Zeitdauer von drei Monaten vorgenommen worden ist, und sollen einen tiefen Einblick über das Verhalten der neuen Gaserzeugung geben.
Wegen der bisherigen Veröffentlichungen wollen wir auf die genauere Beschreibung des Apparates nicht eingehen, obgleich eine Anzahl von Verbeßerungen an dem Apparat angebracht worden sind, die ein noch beßeres und sichereres Arbeiten gegen früher gestatten, und gleich zu der Untersuchung selbst übergehen.

Die Prüfung hat sich auf die nachstehenden 7 Fragen erstreckt:

  1. Bestimmung des unteren und oberen Siedepunktes des zur Luftgaserzeugung verwendeten Materials.
  2. Bestimmung des specifischen Gewichts des erzeugten Gases.
  3. Untersuchung des Gaslufterzeugers auf seine Betriebßicherheit.
  4. Leistungsfähigkeit des erzeugten Gases in Bezug auf den Lichteffekt und die Kosten der Beleuchtung.
  5. Leistungsfähigkeit des erzeugten Gases in Bezug auf den Wärme-Effekt.
  6. Gefährlichkeit des erzeugten Gases in Bezug auf die Explosionsfähigkeit.
  7. Einfluß von Temperaturänderungen in dem Gaserzeuger und in der Leitung auf den Wärme- und Lichteffekt.
  8. Kostenvergleich mit Acetylengas.

1. Bestimmung des unteren und oberen Siedepunktes des zur Luftgaserzeugung verwendeten Materials. Zur Erzeugung des Gases wird eine »Solin« genannte Flüßigkeit verwendet, die ein besonders hergestelltes Benzin ist. Diese Flüßigkeit fängt bei etwa 60° an zu sieden und erreicht mit etwa 85° den oberen Siedepunkt.

2. Die Bestimmung des specifischen Gewichts des erzeugten Gases. Das specifische Gewicht ist nach zwei verschiedenen Methoden bestimmt worden. Das eine Mal wurde bei normalem Betriebe gemeßen, wie viel Gramm Solin in 1 cbm Aërogengas enthalten und wie viel Kubikmeter Luft für 1 cbm Aërogengas angesaugt waren. Aus dem Gewicht der angesaugten Luftmenge und der Menge des Solins ergibt sich das Gewicht von 1 cbm Aërogengas. Als Mittelwert aus wiederholten Versuchen ergab sich das specifische Gewicht bei 0°, bezogen auf Waßerstoff zu 16,8. Das zweite Mal wurde mittels des Apparates von Bunsen die Außtrömungsgeschwindigkeit des Aërogengases im Vergleich mit Luft bestimmt und der auf 0° reduzierte Wert des specifischen Gewichts zu 17,8 gefunden. Der Mittelwert aus beiden Bestimmungsarten ergibt 17,3 . Auf Luft bezogen, erhält man den Wert 1,2. Das Gas läßt sich daher, ähnlich wie Kohlensäure, aus einem Cylinder in einen anderen übergießen, und bei etwaigen Undichtigkeiten wird sich das schwere Gas vor allem auf dem Boden geschloßener Räume halten.

3. Untersuchung des Gaslufterzeugers auf seine Betriebßicherheit. Die Konstruktion des Gaslufterzeugers bietet nach zwei Richtungen hin eine Sicherheit. Zunächst erzeugt der Apparat stets nur soviel Gas, als verbraucht wird. Bei höherem Verbrauch läuft die Gasuhr und dadurch das mit ihr verbundene Schöpfwerk schneller. Somit werden niemals größere Gasmengen angesammelt, wie man es sonst gewöhnt ist. Ist aber in der äußeren Leitung kein Verbrauch, so wird nur so viel Gas erzeugt, als zur Speisung des Antriebsmotors nötig ist; um indeßen unvorhergesehenen Drucksteigerungen zu begegnen, ist zwischen dem Kompreßionsraum und dem Saugraum durch ein kommunizierendes Rohr die Möglichkeit eines Druckausgleichs geschaffen, ohne daß Gas verloren geht. Somit werden in dem System niemals größere Gasmengen angesammelt, und das vorhandene Gas kann nicht unter zu hohen Druck gelangen.
Während des zum Teil unterbrochenen vierteljährigen Betriebes sind Störungen nicht eingetreten. Der Antriebsmotor hat als Heißluftmotor anstandslos gearbeitet. Er wird aber, wie jede Maschine, nach einiger Zeit einer Reinigung bedürfen, die wohl einmal in jedem Vierteljahr vorzunehmen sein wird. Die Unterhaltung des Motors durch die Ausgaben für Schmiermaterial und Putzlappen ist sehr gering und fällt wenig ins Gewicht. Dagegen ist der Gasverbrauch zur Speisung der Heizflamme für den Motor nicht zu vernachläßigen. Derselbe betrug im vorliegenden Falle bei normalem Betriebe stündlich 362 l.
In Bezug auf die Betriebßicherheit ist einmal ein Versuch so angestellt worden, daß die im Vorratsraum verfügbare Menge Solin aufgebraucht wurde bis überhaupt kein Gas mehr erzeugt wurde. Sämtliche Flammen gingen aus, ohne daß sonstige Störungen, z. B. durch Zurückschlagen, beobachtet wurden.
Wegen der leichten Entzündlichkeit des Solins wird aber auf alle Fälle eine besondere Aufstellung des Heißluftmotors mit seiner Heizflamme durch Trennung von den Gaserzeugungsapparaten empfehlenswert sein, indem man z. B. eine feuerfeste Wand zwischenschaltet. Denn wenn auch die Verschlußthür für die Flamme des Heißluftmotors mit feinem Drahtgewebe zur Sicherheit überzogen ist, so ist doch nicht ausgeschloßen, daß bei nachläßigem Betriebe die Sicherheitsthür geöffnet bleibt. Dies würde natürlich nicht dem normalen Betriebe entsprechen, aber in recht vielen Fällen und gerade dort, wo technische Betriebe auf dem Lande und in kleinen Verhältnißen von Laien bedient werden, muß man mit allen Möglichkeiten und vor allem mit mangelndem Verständnis rechnen. Deshalb kann man nach meiner Ansicht gar nicht vorsichtig genug sein und noch besonders bei einer neu einzuführenden Sache, zumal da das Acetylen genügende Beweise für die Richtigkeit der vorstehenden Behauptungen geliefert hat.
Auch muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß bei dem öffnen und Ablaßen der sogenannten Waßersäcke in der Leitung große Vorsicht geboten ist, damit keine Entzündung des angesammelten Solins eintritt.

4. Leistungsfähigkeit des erzeugten Gases in Bezug auf den Lichteffekt und die Kosten der Beleuchtung. Das erzeugte Gasgemisch ist so reich an Luft bezw. Sauerstoff, daß den Brennern nur noch wenig Luft zugeführt werden braucht, um eine möglichst heiße und gut entleuchtete Flamme zur Erhitzung der Glühstrümpfe bezw. zum Kochen und Heizen zu erhalten.
Durch die Menge des geschöpften Solins ist es möglich, ein ärmeres oder reicheres Gas zu erhalten. Drei Versuchsreihen sind aufgenommen worden, indem das Schöpfwerk mit 3, 4 und 6 Bechern Solin schöpfte. Für jede Reihe ist derselbe Brenner mit dem gleichen Glühgewebe benutzt und bei verschiedenen Drucken untersucht worden. In der Tabelle I ist unter P der Gasdruck in Millimetern Waßersäule, unter V die auf 0° und 760 mm reduzierte, stündlich verbrauchte Gasmenge in Litern, unter HK die Lichtstärke und unter V / HK der specifische Verbrauch angegeben.
Nimmt man aus diesen Zahlen in der zweiten Reihe II, als dem regelrechten Betriebe entsprechend 2,5 l pro Kerze als normal an bei einem Solingehalt von 245 g in 1 cbm erzeugten Gases, so entsprechen einem Gasverbrauch von 2,5 l = 0,245 x 2,5 = 0,6125 g Solin für 1 Kerzenstunde; mithin erhält man für eine Lichtstärke von 50 Kerzen einen stündlichen Verbrauch von 30,625 g Solin. Kostet nun 1 kg Solin 40 Pf., so ergeben sich die stündlichen Kosten an Gas für eine 50 kerzige Flamme zu 30,625 x 0,04 = 1,225 Pf.

Tabelle I.

I

3 Becher.

Solingehalt 180 g in 1 cbm Gas

II

4 Becher.

Solingehalt 245 g in 1 cbm Gas

III

6 Becher.

Solingehalt 370 g in 1 cbm Gas

P
mm
V
l
HK
V
K
P
mm
V
l
HK
V
K
P
mm
V
l
HK
V
K
210
142
70
2,0
210
140
55
2,55
200
136
63
2,1
200
135
56
2,4
190
134
29,4
4,6
190
134
58
2,3
190
133
55
2,4
180
134
29,4
4,6
180
129
54
2,4
180
129
51
2,5
170
128
26,8
4,8
170
127
50
2,6
170
125
47
2,6
160
123
22,8
5,4
160
121
48
2,5
160
121
46
2,6
150
118
18,9
6,3
150
117
46
2,5
150
115
46
2,5
140
112
16,0
7,0
140
115
45
2,6
140
110
44
2,5
130
109
14,6
7,5
-
-
-
-
-
-
-
-
120
104
9,6
10,9
120
106
37
2,8
120
102
43
2,4
100
96
6,4
14,9
110
93
28
3,3
100
93
38
2,45
Heizwert 2000 Kalorien.
Heizwert 2867 Kalorien.
Heizwert 3451 Kalorien.

Wie schon erwähnt, hat sich der Verbrauch der Heizflamme für den Heißluftmotor bei der geprüften Anlage auf 362 l in der Stunde gestellt. Dies entspricht einem Solinverbrauch von 88,69 g ~ 90 g. Bei dem obigen Solinpreis ergibt dies eine stündliche Ausgabe von 3,6 Pf. oder einen Konsum, dem das beständige Brennen von 3 Flammen für je 50 Kerzen im Beleuchtungsnetz gleichkommt. Für die Praxis wird es natürlich auf die Größe der Anlage ankommen. Je größer dieselbe ist, um so weniger kommen der Verbrauch und die Kosten für die Unterhaltung der Anlage zur Geltung, zumal auch die größeren Motoren wirtschaftlicher arbeiten wie die kleineren. Bei einer kleinen Anlage ist die Ausgabe für die Heizflamme des Motors nicht ohne weiteres zu vernachläßigen. Man könnte daher auf den Gedanken kommen, während des vollen Betriebes noch nebenher eine gewiße Menge Gas in einem Gasometer aufzuspeichern, um zu Zeiten des schwächeren Betriebes diesen Vorrat aufzubrauchen. Dieser Fall ist an sich möglich, nur nimmt man damit dem ganzen System den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß immer nur gerade soviel Gas erzeugt wird, als augenblicklich gebraucht wird.

5. Leistungsfähigkeit des erzeugten Gases in Bezug auf den Wärme-Effekt. Entsprechend den in der Tabelle I angegebenen Werten des Lichteffekts sind zu gleicher Zeit kalorimetrische Meßungen gemacht worden, um den Heizwert des erzeugten Gases zu bestimmen. Die Untersuchungen sind mit einem Kalorimeter von Prof. Junkers ausgeführt worden und haben für die erste Reihe bei 180 g Solingehalt in 1 cbm Aërogengas einen Heizwert des Gases zu 2000 Kalorien ergeben. Bei 245 g Solingehalt ergaben sich 2867 Kalorien, und bei 370 g Solingehalt wurden 3451 Kalorien festgestellt. Da Leuchtgas aus Steinkohlen im allgemeinen einen Heizwert von etwa 5000 Kalorien ergibt, so wir unter Berücksichtigung des Wertes von 2867 Kalorien bei Aërogengas der Heizwert dieses Gases etwa halb so groß zu betrachten sein wie der des Steinkohlengases.

6. Gefährlichkeit des erzeugten Gases in Bezug auf die Explosionsfähigkeit. Wegen der großen Gefahren, die unter Umständen durch die Explosionsfähigkeit brennbarer Gase auftreten können, und die die erhofften Erfolge des Acetylens leider so sehr in Frage gestellt haben, sind eingehende Versuche über Mischungen und Explosionsfähigkeit des Aërogengases mit Luft angestellt worden.
Allgemein ist zunächst zu bemerken, daß selbstverständlich jedes für Licht- und Heizzwecke verwendbare Gas eine gewiße Gefahr bei unvorsichtiger Behandlung in sich schließt; dies gilt ebenso gut für Steinkohlengas wie für Acetylen, Spiritusgas, Petroleumgas, Solingas u. s. f. Es werden bei der praktischen Anwendung die Explosionen niemals ganz ausgeschloßen bleiben; indeßen handelt es sich für den praktischen Betrieb und vor allem bei dem Kleinbetrieb und der Bedienung von unkundiger Hand darum, die Gefahren so einzudämmen und Unglücksfälle so weit auszuschließen, daß der praktischen Anwendung keine zu großen Hinderniße erwachsen. Daß außerdem das dem Benzin fast gleiche Solin leicht entflammbar ist, dürfte von niemandem bestritten werden können. Daß daher der Entwickelungsraum für die Gaserzeugung nicht mit offener Flamme oder glimmenden Teilen betreten werden darf, wie allgemein jeder Raum, in welchem sich Apparate zu irgend einer Gaserzeugung befinden, ist selbstverständlich.
Die Explosionsversuche sind für ein Aërogengas mit 245 g Solingehalt durchgeführt worden, indem die verschiedenen prozentualen Zusammensetzungen von reinem Gas ohne Luft, also 100 % Gas, bis zu einem Gasluftgemisch von 15 % Gas und 85% Luft geprüft worden sind. Es ergab sich, daß die obere Explosionsgrenze bei einem Gasluftgemisch von 75 bis 70 % Gas mit 25 bis 30 % Luft, und daß die untere Explosionsgrenze bei 20 bis 15 % Gas mit 80 bis 85 % Luft lag.
Demgegenüber liegen die Grenzen für Acetylen zwischen 82 % und 3 % Acetylen in einem Acetylen - Luftgemisch. Somit sind also die Grenzen für das Aërogengas unter 75 % und über 15 % Gas in Luft engere als für Acetylen. Trotzdem sollte aber für den praktischen Betrieb gerade auf dem Lande alle Vorsicht geübt werden und auf die Gefahren der Brennbarkeit und Explosionsfähigkeit stets aufmerksam gemacht werden, auch wenn sich das Aërogengas in freiem Zustande mit Luft schwer mischt. Bei sachgemäßer Behandlung wird dann keine Veranlaßung zu einer Gefahr vorliegen.

7. Einfluß von Temperaturänderungen in dem Gaserzeuger und in der Leitung auf den Wärme- und Lichteffekt. Bei einer Gasanlage, deren Erzeugniße aus einem Gemisch von Stoffen mit verschiedenen Siedepunkten bestehen, liegt leicht die Möglichkeit vor, daß Temperaturschwankungen von wesentlichem Einfluß auf die Güte des Gases, vor allem auf den Heizwert und die Leuchtkraft sind. Es sind daher auch in dieser Beziehung eine Anzahl von Untersuchungen ausgeführt worden, wenn auch offen zugestanden werden muß, daß gerade diese Frage eingehend und entscheidend nur durch den praktischen Betrieb gelöst werden kann.

I. Versuch. Der Solinbehälter und das Schöpfwerk mit den vier Bechern (245 g Solingehalt) wurden durch Schnee gekühlt, so daß das Solin eine Temperatur von 0° erhielt. Das Gas dagegen strömte durch die anderen Apparate und die Leitung ohne besondere Kühlung hindurch und hatte eine Temperatur von 8° an der Verwendungßtelle. Der Heizwert ergab sich zu 2564 Kalorien gegen die früher angegebenen 2867 Kalorien bei 18°. Mit dem verminderten Heizwert ändert sich natürlich auch die Leuchtkraft, zumal da es sich um die Anwendung einer entleuchteten Flamme handelt. Eine weitere Anzahl von Versuchen bei niederen Temperaturen zeigen die Ergebniße in den Angaben der Tabelle II (siehe nächste Seite).
Die Gastemperatur ist allerdings infolge der Versuchsanordnung von 10,5° auf 13,6° gestiegen. Es ist aber im Vergleich zu der zweiten Versuchsreihe in Tabelle I kein wesentlicher Unterschied ersichtlich. Der specifische Verbrauch stellt sich im allgemeinen für diese Versuchsanordnung wenig höher.

II. Versuch. Außer dem Solinbehälter wurde auch noch die Gasleitung gekühlt, und nun zeigt sich in dem zweiten Teil der Tabelle II ein wesentlicher Unterschied. Der specifische Verbrauch steigt deutlich.

Tabelle II

Solin gekühlt auf 0°.

Gastemperatur
P
V
HK
V
K

10,5
200
144
59
2,4
11,8
200
143
59
2,4
12,6
190
137
56
2,5
12,8
180
132
53
2,5
13,0
170
128
50
2,6
13,2
160
125
49
2,6
13,3
150
115
47
2,4
13,6
140
111
44
2,5
13,6
120
108
38
2,8
13,6
100
93
29
3,2

Solinbehälter und Gasleitung gekühlt

9,6
205
148
44
3,4
9,6
200
146
43
3,4
10,4
190
139
40
3,4
10,8
180
130
37
3,5
11,4
170
129
36
3,6
12
150
120
26
4,5

Gasleitung allein gekühlt

8,7
200
143
35
4,0
9,6
190
140
31
4,5
10,3
180
138
29
4,8
10,6
170
132
27
4,9
11,1
160
126
26
4,9
11,4
150
119
24
5,0
11,5
140
116
18
6,4
12
120
104
14
7,5
12
100
95
10
9,7

III. Versuch. Für den letzten Versuch wurde nur die Gasleitung gekühlt. Auch hier zeigt sich, ähnlich wie bei dem zweiten Versuch, der erhöhte specifische Verbrauch. Man dürfte sogar durch Gegenüberstellung der ersten und zweiten Versuchsreihe einerseits gegen die dritte Versuchsreihe anderseits zu dem Schluße berechtigt sein, daß für die Erzeugung eines guten, gleichmäßigen Gases weniger die tiefe Temperatur an der Gaserzeugungßtelle als die Temperaturerniedrigung des fertigen Gases in der Leitung zu fürchten ist. Diese Erscheinung tritt bekanntlich auch bei Steinkohlengas auf und führt dort zu höchst unangenehmen Störungen durch Abscheidungen in den Leitungen und verminderten Heiz- und Leuchtwert.

8. Kostenvergleich mit Acetylengas. Unter 4. ist bereits angegeben, daß die stündlichen Kosten einer 50 kerzigen Aërogengasflamme in Bezug auf den Gasverbrauch an sich 1,225 Pf. betragen.
Vergleicht man den Preis mit einer Acetylengasflamme von gleicher Helligkeit und nimmt den günstigsten Wert des specifischen Verbrauchs mit 0,6 l Acetylen an, so verbraucht die 50 kerzige Acetylenflamme stündlich 0,6 x 50 = 30 l Acetylen. Beträgt die Ausbeute aus 1 kg Karbid 300 l Gas, so entsprechen 30 l Gas einem Karbidverbrauch von 0,1 kg. Würde 1 kg Karbid 30 Pf. kosten, so würden mithin die Kosten für die 50 kerzige Acetylenflamme pro Stunde 3 Pf. betragen.
In dieser Rechnung sind auf beiden Seiten nicht berücksichtigt worden die Verzinsung und Amortisation des Anlagekapitals, sowie die Unterhaltungs- und Bedienungskosten der Anlage und Brenner. Für den ersten Teil werden sich die Ausgaben bei dem Aërogengas höher stellen, da eine solche Anlage im allgemeinen zwar nicht wesentlich mehr Raum für sich beanspruchen wird, wohl aber eine größere Anzahl einzelner Apparate, vor allem den Antriebsmotor enthält.
Dazu kann unter Berücksichtigung des hohen specifischen Gewichts, des geringen Heizwertes und des Einflußes tiefer Temperaturen hinzukommen, daß man auf stärkere Leitungen und eine tiefere Verlegung in der Erde zum Schutz gegen Frost Rücksicht nehmen muß. Diese Frage läßt sich indeßen hier nicht ohne weiteres entscheiden.
Für die Unterhaltungs- und Bedienungskosten dürfte sich der Zeitaufwand zum Nachfüllen des Karbids, zur Reinigung des Entwicklers und Beseitigung der Rückstände bei dem Acetylen mit dem Nachfüllen des Solins und der Bedienung des Motors annähernd ausgleichen; dagegen kommt zum Nachteil des Solins die Ausgabe zur Speisung der Flamme für den Motor und der Ersatz von Glühgeweben und Cylindern in Betracht.
Wenn man nun die Vor- und Nachteile der einen gegen die andere Beleuchtungsart abwägt, so bleibt zum Schluß übrig, daß, wenn sich alle Nachteile des Aërogengases, die außchließlich durch einen gewißen Kostenaufwand gedeckt werden können, für die 50 kerzige Flamme durch den Mehraufwand über 1,225 Pf. bis auf 3 Pf., also durch den 2,5 fachen Betrag, decken laßen, die Aërogengas-Beleuchtung gerade ebenso teuer wie das Acetylengas werden würde. Es ist aber keineswegs ausgeschloßen, daß die neue Beleuchtungsart billiger zu stehen kommt.

 

53329

 

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Druck von R. Oldenbourg in München.

 

 

© Erik Leger, 2006